»Silicon Economy« – Die Open-Source-Geister, die wir riefen

Keine Entwicklung ohne Anwendung: So rief das Fraunhofer IML die ersten Open-Source-Geister für die Logistik, als der Startschuss für die Silicon-Economy-Forschung fiel. Damals war es das große Ziel, eine dezentrale, offene Plattformökonomie »made in Germany« zu entwickeln.

Was in den folgenden Jahren passierte, war damals noch nicht abzusehen. Ende 2024 ging die Förderung der Silicon-Economy-Forschung – und damit eines der größten Forschungsprojekte in der Logistik – zu Ende. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit insgesamt rund 35 Millionen Euro. Dazwischen haben das Fraunhofer IML und das FraunhoferInstitut für Software und Systemtechnik ISST zusammen mit verschiedenen Lehrstühlen der Technischen Universität Dortmund mit insgesamt über 150 Forschenden und in enger Zusammenarbeit mit der Industrie an neuen Themen für den Einsatz von Open Source in der Logistik geforscht. Mehr als 20 Entwicklungsprojekte konnten umgesetzt und zahlreiche Hard- und Softwarekomponenten entwickelt werden. 

Das Förderprojekt war auch Ausgangspunkt für die Open Logistics Foundation, die die neue Zusammenarbeit auf privatwirtschaftlicher Basis fortführt. Schon 2021 wurde die Foundation von Dachser, DB Schenker, duisport und Rhenus gegründet. Kern der Stiftungsarbeit ist der Betrieb einer technischen Plattform, auf der Soft- und Hardware, Schnittstellen, Referenzimplementierungen und Komponenten quelloffen unter einer freien Lizenz (permissive license) zur Verfügung stehen – dem sogenannten Open Logistics Repository. Somit war schon 2021 das große Ziel einer dezentralen Plattformökonomie erreicht. 

Die Silicon-Economy-Komponenten – frei zugänglich für alle

Zwei Wissenschaftler stehen neben dem Transportroboter Odyn.
© Fraunhofer IML

Die entwickelten Komponenten der Forschenden reichen vom digitalen Frachtbrief (eCMR) und Vorbereitungen für EU-weite digitale Frachtinformationen (eFTI) über KI-basierte Estimated-Time-of-Arrival-Services bis hin zu IoT-Devices und dynamischen Transportrobotern, wie dem evoBOT® oder O³dyn. Die meisten Komponenten, die die Forschenden entwickelt haben, sind Basis für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Logistik oder sind KI-getrieben. Gerade in der Logistik hat KI ein großes Potenzial, Prozesse zu optimieren und zu automatisieren. Diese auch noch als Open Source zu veröffentlichen und somit frei zugänglich zu machen, dient auch dazu, Innovationen in der Logistikbranche, insbesondere bei der Automatisierung und Digitalisierung, voranzutreiben. Unternehmen gleich welcher Größe haben so die Möglichkeit, Lösungen gemeinschaftlich weiterzuentwickeln und somit De-facto-Standards zu etablieren

Forschung über Forschung

Zum Abschluss des Großforschungsprojekts hat das Fraunhofer IML in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Deloitte auch einen wissenschaftlichen Blick auf die Silicon-Economy-Forschung geworfen. In einer Studie haben die Forschenden alle bisherigen Ergebnisse des Forschungsprojekts analysiert und weitere Forschungs- und Förderungsbedarfe aufgedeckt. Daraus leiteten sie auch weitere Handlungsempfehlungen ab, um die Digitalisierung der Logistik weiter voranzutreiben.

Analysiert wurden fünf Handlungsfelder: Technologie, Prozesse, Methoden, Incentivierung und Regulatorik.

Zwei Personen in einer Lagerumgebung, die an einem Tisch stehen und auf einen Bildschirm mit Daten schauen.
© Fraunhofer IML

Technologie

Digitale Standards, wie Open APIs, Datenmodelle und Prozessdefinitionen, müssen gemeinschaftlich weiterentwickelt werden, um eine solide Grundlage für die Digitalisierung zu schaffen.

Prozesse

Es braucht ein branchenweites Bewusstsein für die Wertschöpfung und Zusammenarbeit in digital vernetzten Ökosystemen und die Vermittlung von Geschäftsmodell-Know-how und Plattformlogiken.

Methoden

Um das Interesse an der gemeinschaftlichen Entwicklung von Open-Source-Lösungen zu stärken, muss die Wirtschaftlichkeit bzw. der Nutzen von der aktiven Beteiligung von Unternehmen an der Entwicklung von Open-Source-Software untersucht und quantifizierbar gemacht werden.

Incentivierung

Es sollte eruiert werden, welche Anreize, wie etwa staatliche Förderung, dabei unterstützen können, Unternehmen zu mehr aktiver Entwicklung von Open Source zu motivieren und in diesem Zuge der Vision der Silicon Economy näher zu kommen.

Regulatorik

Um neben der Etablierung von De-facto-Standards über Open-Source-Projekte auch eine sukzessive Überführung von Forschungsergebnissen in Standardisierungsverfahren sicherzustellen, sollte bei zukünftigen Umsetzungen von neuen Gesetzen und Verordnungen zur Digitalisierung eine gemeinsame Implementierung von Behörden, Unternehmen und Forschungsstellen mitgedacht werden.

Silicon Economy weckt Open-Source-Geist der Logistikbranche

Nach über vier Jahren Silicon-Economy-Forschung konnten einige Meilensteine in der Digitalisierung der Logistikbranche erreicht werden. Die Studie unterstreicht, dass sich diese Potenziale weiter heben ließen und somit die Digitalisierung und die damit einhergehende internationale Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche auch mit Open Source vorangetrieben werden kann.

»In über vier Jahren Forschung für die Silicon Economy haben wir ein starkes Fundament für die weitere Digitalisierung der Logistik gelegt. Vor allem aber ist es uns gelungen, einen Open-Source-Geist zu schaffen und auch große Logistikplayer damit anzustecken. Das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Nun gilt es – und das hat auch unsere Studie zum Projektabschluss nochmal deutlich gezeigt –, am Ball zu bleiben und für die Zukunft an den richtigen Stellschrauben zu drehen, in der Logistikforschung und in der Praxis«, betonte auch Prof. Michael Henke, Institutsleiter am Fraunhofer IML, anlässlich der Studienveröffentlichung.

Kontakt

Christian Prasse

Contact Press / Media

Dipl.- Logist. Christian Prasse

Leiter strategische Entwicklung

Telefon +49 231 9743-269

Benedikt Mättig

Contact Press / Media

Dr.-Ing. Benedikt Mättig

Mitglied des Scientific Boards

Telefon +49 231 9743-270