Pflicht statt Kür: Nachhaltigkeit als Benchmark

Der Nachhaltigkeitsgedanke prägt bereits seit einiger Zeit den Alltag unserer Gesellschaft: Woher beziehe ich meinen Strom? Verbrenner oder Elektroauto? Ist das Gemüse heimisch angebaut? Was im Alltag oft nur Abwägungen sind, gestaltet sich auf Industrieebene deutlich komplexer. Es reicht nicht aus, aussagekräftige Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen; ihre Wirksamkeit muss ebenfalls überprüfbar sein. Hier kommt das KI-Tool »Sustainalyze« vom Fraunhofer IML ins Spiel. Mit diesem Tool sollen Kennzahlen und Daten vereinheitlicht, analysiert und die Verschleierung von Tatsachen verhindert werden.

Das im Jahr 2023 in Kraft getretene CSR-Gesetz (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist ein Beispiel dafür, wie die Bundesregierung dem europäischen Ansatz folgt, um dem Thema Nachhaltigkeit auf Industrieebene mehr Bedeutung zu verleihen. Das CSR-Gesetz, genauer gesagt das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG), ist die deutsche Umsetzung der europäischen CSR-Richtlinie. Es verpflichtet große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dazu müssen soziale, ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen sowie Maßnahmen zur Förderung vonNachhaltigkeit offengelegt werden. Dies erfolgt anhand von Kennzahlen wie beispielsweise Treibhausgas-Emissionen, Korruptionsbekämpfung und Arbeitsbedingungen. Diese faktenbasierten Berichte sollen auf Plausibilität geprüft und ein einheitlicher Berichtsstandard etabliert werden. Es ist absehbar, dass diese Regelung in Kürze auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gelten wird. 

Eine der größten Herausforderungen ist die oft unvollständige Datengrundlage, was die Gefahr des Greenwashings erhöht. Das bedeutet, dass Unternehmen sich mitunter einen »grünen Anstrich« verleihen, indem sie umweltfreundlicher erscheinen, als sie tatsächlich sind – mit dem Ziel, durch irreführende Aussagen ihr Image zu verbessern und Kundinnen und Kunden zu gewinnen.

Effiziente Bewertung von Nachhaltigkeitszielen mit KI

Zur Analyse von Nachhaltigkeitsberichten hat das Projektteam um Pia Schreynemackers am Fraunhofer IML das Tool »Sustainalyze« entwickelt. »In einer Welt, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, wächst auch der Druck auf die Wirtschaft, glaubwürdige und aussagekräftige Berichte zu erstellen«, erläutert Schreynemackers.

Mittels eines Algorithmus und des Einsatzes von Large Language Models werden Nachhaltigkeitsberichte mit »Sustainalyze« eingelesen, semantisch erfasst und durch eine strukturierte Zusammenfassung vergleichbar und bewertbar gemacht. Der Algorithmus basiert auf Machine Learning: Die Künstliche Intelligenz (KI) vergleicht die Rohdaten anhand ausgewählter Kriterien. Um Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivität zu gewährleisten, werden ausschließlich öffentlich zugängliche Daten genutzt. Am Ende erhalten die Unternehmen eine strukturierte Einschätzung ihrer eigenen Daten sowie gegebenenfalls externer Quellen. Das unterstützt die Verlässlichkeit der Bewertungen. Zudem dient eine Wesentlichkeitsanalyse dazu, relevante Nachhaltigkeitsaspekte aus verschiedenen Perspektiven zu identifizieren. Durch Benchmarking in diesen Bereichen können Unternehmen ihre Leistung mit Branchenstandards vergleichen und gezielt Verbesserungen anstreben.

Doppelte Vorteile für Unternehmen

Dieses standardisierte Vorgehen macht Greenwashing nahezu unmöglich. Für Unternehmen bietet die Lösung in zweierlei Hinsicht Vorteile: »Die Software soll dazu genutzt werden, den eigenen Bericht auf Plausibilität und Vollständigkeit zu prüfen, Lücken aufzuzeigen und Vorschläge zur Schließung dieser Lücken zu machen – etwa durch den Vergleich mit Wettbewerbern derselben Branche«, erklärt Pia Schreynemakers. Zudem sollen Unternehmen mithilfe von »Sustainalyze« bei der Lieferantenauswahl oder der Auswahl eines potenziellen Kooperationspartners die Berichte anderer Unternehmen bewerten können. »Damit soll Sustainalyze in Zukunft über die Eigenbewertung hinaus auch die Fremdbewertung ergänzen«, so die Forscherin.

Die letzte Projektphase endete im Januar 2024. Durch die Zusammenarbeit mit ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. konnten die Forschenden viele Einblicke in branchenrelevante Nachhaltigkeitsberichte gewinnen und wertvolle Erfahrungen im alltäglichen Umgang mit der Datenbasis sammeln. Anschließend wurde der Algorithmus unter realen Bedingungen getestet und durch Use-Case-Interviews weiter optimiert. Bis Ende 2025 wird »Sustainalyze« auf der KI-Plattform »Omnistics« des Fraunhofer IML öffentlich zugänglich gemacht (siehe S. 40).

Zwei Personen in einem modernen Büro, die an einem Tisch stehen und sich unterhalten, während ein Bildschirm mit dem Wort 'SUSTAINABILITY' im Hintergrund sichtbar ist.
© Fraunhofer IML

Kontakt

Pia Schreynemackers, M. Sc.

Contact Press / Media

Pia Schreynemackers, M. Sc.

Team Compliance

Telefon +49 231 9743-168