Der Einsatz von Wasserstoff als Baustein der Energiewende erfordert den Aufbau kompletter Ökosysteme, die alle Aspekte der Wertschöpfungskette abdecken und einer fundierten logistischen Planung bedürfen – von der Standortplanung über die Transportinfrastruktur und Tourenplanung bis hin zur Weiterbildung des Personals und dem Management der Flotten. Doch wie schafft man es, ein solches Ökosystem von Grund auf aufbauen?
In Planung ist der Betrieb weiterer Wasserstofffahrzeuge, darunter Abfallsammelfahrzeuge, Touristenboote und Luftfahrzeuge, aber auch die Nutzung von Wasserstoff zur Dekarbonisierung im ansässigen Stahlwerk. Bis 2031 soll die Region mit Unterstützung des Fraunhofer IML im Projekt EASTGATEH2V ein Wasserstoff-Valley werden. Ziel ist es, dort ein ganzes Ökosystem für Produktion, Lagerung, Umschlag und Nutzung aufzubauen. Die Grenzen des Wasserstoffnetzes des mit knapp 9 Millionen Euro von der Europäischen Union geförderten Projekts sind dabei durchlässig: Von Košice aus könnte ein Wasserstoffnetz für die ganze Slowakei entstehen, das zusätzlich die Ukraine als Nachbarland anbindet.
»In Europa entstehen derzeit zahlreiche solcher Wasserstoff-Valleys,« erklärt Philipp Müller vom Fraunhofer IML, der in den Bereichen Verkehrslogistik und Wasserstoff forscht. Knapp 1.000 Kilometer von Košice entfernt liegt die westfälische Stadt Unna. Auch dort verfolgt man das Ziel, Wasserstoff für schwere Nutzfahrzeuge einzusetzen. Unna möchte die Dekarbonisierung in den Bereichen Transport, öffentlicher Nahverkehr und Entsorgung vorantreiben. Welche Potenziale Wasserstoff hierbei bieten kann, erforscht derzeit das Projekt »H2-Logistik-Hub« in einer Vorstudie, an der die TU Dortmund sowie das Fraunhofer IML beteiligt sind. Die Studie soll zeigen, welche Schritte und Akteure notwendig sind, um mit lokal ansässigen Partnern ein Wasserstoff-Ökosystem aufzubauen.
Doch die Wasserstoffwirtschaft umfasst mehr als nur die Nutzung des Endprodukts: Zwischen Herstellung und Verbrauch müssen zahlreiche weitere Aspekte beachtet werden. Neben dem Aufbau von Produktionsanlagen und der Nutzung durch den Verbraucher sind auch die Transportinfrastruktur und -mittel zentral für den Erfolg der neuen Ökosysteme. Um den besonderen Anforderungen des Wasserstofftransportes gerecht zu werden, sind beispielsweise spezielle Transportcontainer notwendig. Die Forschenden des Fraunhofer IML haben im Projekt H2LogisticsOnRail gemeinsam mit Praxispartnern einen multimodalen Transportcontainer entwickelt, der sowohl auf Straße, Schiene als auch in der Binnenschifffahrt eingesetzt werden kann – ein bedeutender Schritt in Richtung nachhaltiger Transport von grün produziertem Wasserstoff.
»Glücklicherweise muss auch im Wasserstoffbereich das Rad nicht immer komplett neu erfunden werden,« betont Müller. Für den Transport von Wasserstoff kann in Teilen bestehende Infrastruktur genutzt oder umgewidmet werden, wie beispielsweise die (Transport-)Infrastruktur von Ammoniak. Ammoniak ist besonders geeignet, um Wasserstoff zu speichern, da es leichter zu verflüssigen ist und eine höhere Energiedichte aufweist. Das Potenzial dezentraler Infrastrukturen für Ammoniak als Wasserstoffderivat für den Industriestandort Deutschland wird derzeit im Projekt AmmonVektor untersucht, an dem zahlreiche Fraunhofer-Institute beteiligt sind. Forschende des Fraunhofer IML modellieren anhand großer Wasserstoff bzw. Ammoniakquellen und -senken, welche Versorgungsoptionen für verschiedene Anwendungsszenarien aus logistischer und ökonomischer Sicht am sinnvollsten sind.
»Der Aufbau eines Wasserstoff-Ökosystems erfordert ein starkes Engagement aller relevanten Stakeholder, das auch die energieintensiven Industrien berücksichtigt,« erklärt Müller. Besonders die Stahlindustrie könnte stark von der Dekarbonisierung durch Wasserstoff profitieren. Auch wenn ein Wasserstoffbus in einer slowakischen Kleinstadt einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leistet, ist er doch nur der Grundstein für die Entstehung ganzer dekarbonisierter Industriezweige in der Zukunft.
Mit dem Ausbau der Infrastruktur, der Entwicklung neuer Technologien und der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Politik könnte ein nachhaltiges Ökosystem entstehen, das die Energiewende auf breiter Basis vorantreibt. Ziel ist es, eine umweltfreundliche, effiziente und zukunftssichere Wirtschaft zu schaffen, die den Weg für eine klimafreundliche Gesellschaft ebnet.