7 Thesen für das Supply Chain Management

Aktuelle Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine zeigen, wie verwundbar unsere globalen und weit verzweigten Lieferketten sind. Im Rahmen des Digitaltag-Talks 2022 stellte Institutsleiter Prof. Michael Henke deshalb gemeinsam mit Carina Culotta und Josef Kamphues vom Fraunhofer IML die sieben wichtigsten Thesen für ein zukunftsfähiges Supply Chain Management vor.

Lieferkettengesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll die Menschenrechte innerhalb der Lieferketten von Unternehmen schützen und vor allem das Verbot von Kinderund Zwangsarbeit durchsetzen. Ab 2023 gilt es für deutsche Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden, ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden. Auch deutsche Zweigniederlassungen von ausländischen Firmen zählen dazu, wenn sie mehr als 3000 bzw. 1000 Mitarbeitende in Deutschland beschäftigen. Die Unternehmen müssen unter anderem eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden, eine Risikoanalyse durchführen, um Bedrohungen der Menschenrechte zu erkennen und diese zu beenden, einen Beschwerdemechanismus einrichten und transparent öffentlich berichten.

© Fraunhofer IML

Resilienz ist aktuell wichtiger als Kostensenkung.

In den vergangenen Jahren lag der Fokus des Supply Chain Managements unter anderem darauf, die Kosten möglichst niedrig zu halten. Die Auswirkungen davon wurden in der letzten Zeit verstärkt sichtbar: »Es genügen externe Schocks, um die Lieferketten innerhalb kürzester Zeit zu unterbrechen«, erklärt Henke. Er spricht sich deshalb für ein resilienteres Supply Chain Management aus, das es ermöglicht, die Lieferketten nach externen Ereignissen möglichst schnell wieder in Betrieb zu nehmen. Unternehmen sollten dafür etwa die angreifbaren Stellen innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten sowie vergangene Ereignisse und deren Auswirkungen analysieren, um so besser auf kommende Herausforderungen vorbereitet zu sein.

Diversifikation innerhalb der Lieferkette führt zu mehr Resilienz.

Ein wichtiger Punkt im Hinblick auf transparente Lieferketten ist die Diversifikation: Sollte beispielsweise ein Lieferant ausfallen, muss es einen zweiten geben, der die Aufgaben übernehmen kann. Für ein robustes Supply Chain Management ist es für Unternehmen deshalb hilfreich, ein breites Portfolio von Zulieferern sowie verschiedenen Transportwegen aufzubauen.

Unternehmen brauchen eine Mischung aus globalen und regionalen Wertschöpfungsketten.

»In den letzten Jahren haben wir Lieferketten ständig optimiert und globalisiert«, sagt Henke. In der Diskussion um Resilienz werde momentan aber häufig empfohlen, Lieferketten ausschließlich regional zu gestalten. Der Institutsleiter bestätigt zwar, dass Unternehmen nach Krisen Bereiche identifizieren können, in denen eine regionale Fertigung sinnvoll wäre: »Aber die deutsche Industrie profitiert auch von der Globalisierung und der Vernetzung«, betont er. Da viele Rohstoffe in Europa nicht natürlich vorkommen, sei es am sinnvollsten, wenn Unternehmen auf eine Mischung aus globalen und regionalen Lieferketten setzen.

Transparenz ist die Voraussetzung für resiliente und diversifizierte Lieferketten.

Transparenz in Bezug auf eigene, weit verzweigte Lieferketten ist für Unternehmen eine Grundvoraussetzung: So können Supply Chain Manager zum Beispiel schneller erkennen, welcher Bereich der Lieferkette durch ein externes Ereignis betroffen ist. Außerdem sind Unternehmen so etwa in Bezug auf das neue Lieferkettengesetz (s. Infokasten) besser auskunftsfähig. Henke zufolge können unter anderem Anwendungen, die auf der Blockchain-Technologie basieren, für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.

Die Blockchain-Technologie sorgt für Vertrauen.

Mithilfe der Blockchain-Technologie kann außerdem die Rolle der einzelnen Unternehmen innerhalb der Lieferkette gestärkt werden: Die Datenspeicherung erfolgt verteilt und manipulationssicher, alle Teilnehmer sind gleichberechtigt und vertrauenswürdig – das gilt auch für neue Partner, die beispielsweise in einer Krisensituation Aufgaben innerhalb der Lieferkette übernehmen.

Die Nutzung von Open-Source-Software verlangt ein neues Mindset.

Anwendungen, die die Blockchain-Technologie nutzen, sind noch relativ neu auf dem Markt und deshalb bei Unternehmen noch nicht weit verbreitet. Michael Henke sieht in diesem Bereich eine Chance für Open-Source-Software. Die Nutzung dieser Anwendungen spare Ressourcen, sei niederschwellig und dadurch auch für kleine und mittlere Unternehmen geeignet. Die Betriebe müssen sich dafür aber auf das kooperative Arbeiten einlassen, im Zweifel auch mit Wettbewerbern: »Sowohl die Nutzung von Open-Source-Software als auch die Bewältigung von Krisensituationen funktionieren nur miteinander und in kollaborativen Netzwerken«, betont der Institutsleiter.

Plattformen erleichtern die Zusammenarbeit.

Auf Plattformen können die Unternehmen der Lieferkette souverän Daten teilen, sich austauschen und auf die Angaben der Partner zugreifen. Diese Art der Zusammenarbeit hilft dabei, die Informationen innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks zu organisieren und transparent bereitzustellen. »In unserem Beitrag zur Plattformökonomie, der Silicon Economy, verbinden wir die Blockchain mit vielen anderen Technologien «, erklärt Henke. Dabei stellen die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IML ein Grundgerüst aus Open-Source-Anwendungen zur Verfügung, die Unternehmen jeder Größe nutzen und mit eigener Software verbinden können.

Michael Henke

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Univ.-Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Michael Henke

geschäftsführender Institutsleiter

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
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