Mit dreieckigem Paradigma in die zweite Runde

Die vier deutschen Kompetenzzentren für Maschinelles Lernen haben die hohen Erwartungen erfüllt, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung in sie gesetzt hatte. Deswegen schickt es die Spitzenforschung mit einer langfristigen institutionellen Förderung in die zweite Runde. Aus dem Kompetenzzentrum ML2R wird nun das Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz. Zum Team gehört weiterhin das Fraunhofer IML.

 

Da haben sich zwei gefunden, die Logistik und die Künstliche Intelligenz (KI). Logistische Problemstellungen sind oft komplexe mathematische Optimierungsprobleme, diese sind klassische KI-Probleme. »Die Logistik stellt ein wichtiges Anwendungsgebiet für KIVerfahren dar. Umgekehrt profitiert die Logistik enorm von KI-Verfahren, mit denen viele Prozesse tatsächlich noch effizienter gestaltet werden können«, sagt Dr. Sören Kerner, Hauptabteilungsleiter KI und Autonome Systeme am Fraunhofer IML, der mit seiner Abteilung maßgeblich am neuen Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz beteiligt ist.

© Fraunhofer IML
© Fraunhofer IML
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Vertrauenswürdig

An dem Forschungsschwerpunkt vertrauenswürdiger KI-Technologien halten die Forschenden fest. Das setzt voraus, dass maschinelle Lernverfahren transparent sind und die Funktionsweise und Ergebnisse der Anwendungen interpretierbar. So können (Fehl-)Entscheidungen der KI zurückverfolgt werden. Vertrauenswürdigkeit bedeutet auch die Einhaltung von ethischen Standards und des Datenschutzes. Die KI soll Entscheidungen treffen, die man als »fair« bezeichnen würde. Ein anderer Aspekt ist die KI-Absicherung, eine funktional sichere KI, die besonders bei Interaktionen von autonomer Robotik mit Menschen wichtig ist.

Verkörpert

Auch die effiziente Nutzung von Ressourcen ist weiterhin im Fokus, wird aber um eine Dimension erweitert: Ein Roboter mit Künstlicher Intelligenz verkörpert im wahrsten Sinne des Wortes die Forschungsrichtung »Embodied Artificial Intelligence «. Auf embodied AI werden sich die Forschenden im Lamarr-Institut stärker konzentrieren. Das Bild des Roboters macht den Begriff begreifbar. Embodied AI beschreibt, wie die KI in einer physikalischen Umgebung lernt: durch Wahrnehmung und Interaktion, aus Fehlern mittels Reinforcement Learning, nicht allein aus einem großen statischen Datensatz. Denn für die Interaktion mit der realen Welt sind die physischen Agenten in Form von Robotern, die verkörperte KI, schließlich gemacht.

Verzwickt

»KI auf einem Roboter ist durch die Komplexität des Systems extrem aufwändig«, so Kerner, speziell die Wahrnehmung der Umgebung. Dafür braucht es verschiedene Sensoren, deren Daten das System auswerten und interpretieren muss. Außerdem muss der physische Agent oft genug »üben« können. Denn wie der Mensch lernt er durch seine Fehler. Das ist in der realen Welt »teuer« – vor allem, wenn es um die industrielle Anwendung in der Logistik geht. Daher bedienen sich die Forschenden am Lamarr- Institut der Simulation; simulierte Umgebungen beschleunigen als virtueller Gegenpart der Agenten deren Entwicklung deutlich. Das Training wird sicherer. Die Grundlage jeder Simulation ist aber, die komplexe Wirklichkeit durch ein Modell zu abstrahieren – sie sei also falsch, erklärt Kerner. Die Folge sei der sogenannte »sim-to-real gap«.

Forschende des vormaligen ML2R haben erstmals an diesem sim-to-real gap mit dem LoadRunner geforscht, einem Schwarm hochdynamischer Systeme. Seinerzeit war es den Forschenden nicht möglich, die koordinierenden Algorithmen auf dem realen System termingerecht zu entwickeln. Als Konsequenz entwarfen sie – parallel zur Entwicklung der Hardware – ein Simulationsmodell als Digitalen Zwilling. Das Modell konnte mithilfe von Motion Capturing mit dem ersten Prototyp des LoadRunners so weit abgeglichen werden, dass der sim-to-real gap nicht mehr relevant war. Die Simulation wurde zu einer digitalen Realität für den Algorithmus, der nicht mehr unterscheiden konnte, ob er auf dem realen oder auf dem simulierten System ausgeführt wurde. So konnte die KI für den Schwarm virtuell entwickelt werden, ohne dass der sim-to-real gap eine Relevanz hatte.

Verständnis

Für den KI-Ansatz, den das Lamarr-Institut verfolgt, beziehen die Forschenden bewusst die Anwendung in den Entwicklungsprozess mit ein. »Klassische« KI konzentriert sich auf Algorithmen und den Dateninput, das Lamarr-Institut dagegen steht für eine »Triangular AI«. Laut der Co-Direktorin des Lamarr-Instituts Prof. Katharina Morik ist das »eine neue und leistungsfähigere Generation der Künstlichen Intelligenz, die nicht nur datenbasiert trainiert wird, sondern auch zusätzliches Wissen und Kontextinformationen nutzt«. Kerner bezeichnet diesen Ansatz auch gerne als ganzheitliche KI. Anwendungen der KI-Technologien ergeben sich auch in Kooperation mit Unternehmen. Das Lamarr-Institut unterstützt den Transfer seiner Forschungsergebnisse in die Wirtschaft und Gesellschaft. Zwölf neu eingerichtete Professuren bieten einer jungen Generation von Entwicklerinnen und Wissenschaftlern eine Ausbildung ganz nah an der führenden Forschung zu Maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz.

Sören Kerner

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Dr.-Ing. Sören Kerner

Abteilungsleiter KI und Autonome Systeme

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
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44227 Dortmund

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