LogiMAT 2017: »Fitnesstracker« für die Intralogistik

Effizient und ergonomisch dank »Motion-Mining«

Pressemitteilung /

Bisher kennt man den Einsatz von Bewegungs-Trackern nur für die private Fitness. Wie sich eine automatische Aktivitätserkennung auch für die Intralogistik nutzen lässt, zeigen die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML in der Gründungsinitiative »MotionMiners«. Die Technologie, die auf mobilen Sensoren, Wearables und Beacons fußt, ermöglicht es, reale Prozessdaten wie z. B. Laufwege oder Griff- und Bückverhalten von Mitarbeitern in der Kommissionierung aufzuzeichnen, ohne den Menschen zu beobachten oder zu überwachen. Damit entsteht erstmals eine wirklich belastbare Datengrundlage, um die körperliche Belastung für Mitarbeiter zu verringern und Prozesszeiten in Unternehmen zu verkürzen.

Berufe in der Logistikbranche gehören dem Gesundheitsreport 2016 des Dachverbands der Betriebskrankenkassen in Deutschland zufolge zu den Berufen mit einem besonders hohen Krankenstand. Beschäftigte leiden aufgrund hoher physischer Belastung häufig unter Muskel- und Skeletterkrankungen. Doch meist können Unternehmen auf keine validen Prozessdaten zurückgreifen, anhand derer sie erkennen, wo der Schuh drückt und so die Arbeitsbelastung ihrer Mitarbeiter reduzieren könnten. Sind die Wege ihrer Mitarbeiter zu lang oder bücken sich diese zu häufig, bleibt das dem Arbeitgeber in aller Regel verborgen. Solche fehlenden Daten werden darüber hinaus zum Problem, wenn es um das Aufdecken und Beheben von ineffizienten Prozessen geht, die Zeit verschwenden – und Geld.

»Bislang erheben Unternehmen diese Daten meist händisch – per Beobachtung, Stoppuhr oder Videoaufnahmen. Der Haken daran: Der Kommissionierer ist sich der Beobachtung bewusst und kann daher das Ergebnis bewusst und unterbewusst verfälschen. Außerdem ist diese Messweise alles andere als anonym«, erklärt Sascha Feldhorst, Leiter der Gründungsinitiative »MotionMiners«. Die in der Initiative entwickelte Technologie des Fraunhofer IML schafft hier Abhilfe: Mobile Sensoren, Wearables und Mini-Sender ermöglichen es, reale, valide Prozessdaten wie Weg- oder Greifzeiten aufzuzeichnen. Die mobilen Sensoren sind dabei an den Wearables angebracht, z. B. an einem intelligenten Armband; die Beacons befinden sich an statischen Objekten im Lager, z. B. an Regalen. Neben Prozesszeiten erfasst die Technologie so auch ungesunde und belastende Bewegungen. Die Wearables zeichnen dabei sowohl Bewegungen auf als auch Umgebungsinformationen wie Temperatur oder Lichtverhältnisse. Das »Motion-Mining« ist damit die erste Technologie, die Effizienz und Ergonomie gemeinsam betrachtet – ein Prozess, der in den meisten Unternehmen heute getrennt erfolgt.

Die Daten erhebt die »MotionMiners«-Technologie anonymisiert, eine Rückverfolgung zum jeweiligen Mitarbeiter ist im Gegensatz zur Kamera- oder Stoppuhr-Variante nicht möglich. Um das sicherzustellen, streben die Forscher eine Lösung an, die keine Integration in die betriebseigene IT-Infrastruktur vorsieht. Die Datenerfassung und -auswertung können nur als eigenständiges System und betrieben durch »MotionMiners« genutzt werden. So wird jeglichem Missbrauch der Daten zur Überwachung von Mitarbeitern direkt vorgebeugt. »Dafür stellen wir außerdem sicher, dass die in Unternehmen eingesetzten Wearables täglich neu verteilt werden und niemals nur einem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet werden können. Um Misstrauen von vorne herein auszuschließen, stehen wir derzeit in intensivem Dialog mit zahlreichen Betriebsräten vom Großkonzern bis zum Mittelständler. Wir werden darauf achten, dass Arbeitnehmer und ihre Vertreter von Anfang an integriert werden. Zudem werden wir für eine möglichst große Transparenz sorgen und an gegebener Stelle nicht blind alles umsetzen, was technisch möglich ist. Bisher ist das Feedback auf unsere Lösung von den Arbeitnehmervertretern sehr positiv«, so Feldhorst.

Auch die Auswertung der gewonnenen Daten erfolgt automatisch: Hierfür haben die Forscher des Fraunhofer IML eine spezielle Machine-Learning-Lösung entwickelt, die die Daten mithilfe von Algorithmen analysiert. Die Technologie identifiziert zunächst relevante Bewegungen und verarbeitet sie anschließend mittels Deep Learning, einem Rechenverfahren, das sich an der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns orientiert und aus der Erfahrung gewaltiger Datenmengen lernt. Im Anschluss werden diese Daten dann für eine Prozessanalyse verdichtet und aufbereitet. So kann das »Motion-Mining« in Unternehmen die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern, Krankenstände reduzieren, Prozesszeiten verkürzen und die Liefertreue erhöhen. »Wenn die Datenbasis groß genug ist, können wir Unternehmen so künftig auch Hinweise auf systematische Fehler in der Planung geben. Wir würden zum Beispiel nach der Analyse erkennen, dass die Mitarbeiter in einem bestimmten Lager im Vergleich zu allen anderen untersuchten Lagern mit ähnlichen Rahmenbedingungen viel mehr Wege zurücklegen. Das bietet ganz neue Ansätze für Verbesserungen in Unternehmen«, betont Feldhorst.

Das Wissenschaftler-Team um Sascha Feldhorst plant mit »MotionMiners« für Ende 2017 die Ausgründung eines Unternehmens. Derzeit suchen sie nach geeigneten Partnern für Pilotstudien.

Das Fraunhofer IML präsentiert das Projekt auf der LogiMAT 2017 in Halle 1, Stand 1K61.

Weitere Informationen unter: http://www.motionminers.com/de/motionminers/

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