Laufstall für Künstliche Intelligenz

Große Datenmengen autonom zu verarbeiten und darauf in der Gruppe zu reagieren, ist das Ziel der Schwarmrobotik. In der »AI-Arena« am Fraunhofer IML und der Technischen Universität Dortmund lernen Roboter mithilfe von Machine Learning, selbstständig komplexe logistische Aufgaben und Umgebungen im Kollektiv zu meistern. 

 

Der Ort des Geschehens sieht aus wie ein Eishockeyfeld. Eine ovale Fläche mit Bande – allein die Tore fehlen. Während die Namen von Forschungsprojekten oft spektakulärer und plastischer klingen als sie es in Wirklichkeit sind, handelt es sich beim Projekt »AI-Arena« tatsächlich um eine echte Arena: Roboter treten gegeneinander an, rasen von A nach B, lösen virtuelle logistische Aufgaben. Die Wissenschaftler sitzen am Spielfeldrand und sind scheinbar Nebendarsteller – doch der Eindruck täuscht: Sie sind vielmehr Trainer der Akteure auf dem Feld. Sie trainieren die Künstliche Intelligenz (KI) und bewerten, welche Algorithmen sich durchsetzen und das Potenzial zum Stammspieler haben. Einer von ihnen ist Dr. Marius Brehler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML. »In der AI-Arena betrachten wir natürlich nicht nur einzelne Roboter, sondern Schwärme, die einander sehen und sich aufeinander einstellen können. Sollen sie beispielsweise einen Hindernisparcours bewältigen, können sie sich flexibel anderen Robotern und veränderten Umgebungen anpassen und ihre Routen dementsprechend neu wählen«, so Brehler. In der Arena findet also auch Mannschaftssport statt.

Schwärme Fahrerloser Transportfahrzeuge, die in Lagern einfache logistische Aufgaben übernehmen, sind in der Industrie längst im Alltag angekommen. Das ist allerdings nur mit komplexer manueller Programmierung möglich. Die AI-Arena am Fraunhofer IML und der TU Dortmund soll nun Abhilfe schaffen: Schwarmrobotik wird mit Künstlicher Intelligenz verknüpft. Die Roboter sollen im Schwarm in der Lage sein, die Umgebung einzuordnen, selbstständig Entscheidungen zu treffen und diese korrekt auszuführen.

Beteiligt an dem KI-Forschungsprojekt sind neben dem Fraunhofer IML der Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen der Technischen Universität Dortmund (FLW), die Westfälische Hochschule Gelsenkirchen Recklinghausen Bocholt (WHS) und das Institut für Roboterforschung der TU Dortmund (IRF). Gefördert wird das Verbundprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit knapp 1,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Die Namensgebung beruht auf dem englischen Begriff für Künstliche Intelligenz: artificial intelligence (AI). Die Arena selbst, also die Trainings- und Testfläche, befindet sich in einer Forschungshalle des FLW. Zudem verfügt auch das IRF über eine entsprechende Fläche. Die Übertragung von kollektiver Intelligenz auf einen Schwarm von Robotern bietet in vielerlei Hinsicht neue Möglichkeiten für die logistische Nutzung von KI. Im Mittelpunkt steht bei diesem Projekt der Einsatz von Machine Learning – ein Lernprozess, der über das sogenannte Deep Reinforcement Learning erfolgt. Ähnlich wie beim Prinzip der Konditionierung erlernen die Roboter das richtige Verhalten durch Belohnung oder Bestrafung in bestimmten Situationen: Wenn sie beispielsweise gegeneinanderstoßen, wird das als Fehler bewertet und beim nächsten Mal vermieden. »Wie bei einem Haustier, dem wir ein Kunststück beibringen möchten. Wird das Kunststück ausgeführt, belohnen wir das Tier z. B. mit Leckerchen, ansonsten verweigern wir die Belohnung«, erläutert Brehler. 

© Fraunhofer IML

Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML und Inhaber des Lehrstuhls für Förder- und Lagerwesen an der TU Dortmund, sieht in den im Projekt erforschten KI-Verfahren eine Schlüsseltechnologie für den Weg des Wirtschaftsstandorts Deutschland in eine industrielle Plattformökonomie. »In den immer komplexeren Wertschöpfungsnetzen wird Künstliche Intelligenz in Zukunft zwangsläufig einen immer breiteren Einsatz finden. Das Potenzial ist groß. In der Silicon Economy, der industriellen Plattformökonomie der Zukunft, werden Schwärme von Fahrerlosen Transportfahrzeugen mittels KI selbstständig Aufträge annehmen, verhandeln und per Distributed Ledger buchen. Wir stehen erst am Anfang einer wahrlich disruptiven Entwicklung«, betont ten Hompel.

Ein weiterer Fokus des Projekts liegt darin, mittels einer sogenannten Code-zu-Code-Übersetzung die für die Roboterschwärme programmierten Neuronalen Netze für die Zielplattform zu übersetzen. Den Übersetzer, den die Forscher dafür entwickeln, stellen sie als Open-Source-Software zur Verfügung. »Anstatt die Software vollständig selbst zu implementieren, arbeiten wir hierfür mit Google zusammen und integrieren Teile unserer Forschung u. a. in den Machine Learning Compiler IREE«, sagt Brehler, der für seine Open-Source-Arbeit im September 2020 mit dem Google Peer Bonus Award ausgezeichnet wurde. So lassen sich die Ergebnisse des Projekts aus den Simulationen in die Realität bringen. Zudem lässt sich die zur Verfügung gestellte Software auf diese Weise einfach in bereits vorhandene Projekte einbinden, wodurch auch Projekte mit KI- und Machine-Learning-Verfahren arbeiten können, denen das sonst verwehrt bliebe.

Darüber hinaus erstellen die Wissenschaftler auch Simulationen, um Studierende und Fachkräfte auszubilden. Denn zur Umsetzung braucht es neben den technischen Möglichkeiten von Machine Learning die richtige Ausbildung der Beteiligten, um die Schwarmroboter richtig anzuweisen und zu kontrollieren. 

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