Computergestützt dem Corona-Virus auf der Spur

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind massiv. Umso drängender ist eine rasche Impfstoff- und Medikamentenentwicklung (und -erprobung) zum Schutz vor Covid-19. Entscheidende Fortschritte könnten mithilfe von Simulationen erzielt werden. Aus diesem Grund hat das Fraunhofer IML der Forschungsinitiative Folding@ home praktisch ad hoc einen Teil der Rechenleistung seines Supercomputers NVIDIA DGX-2 zur Verfügung gestellt.

 

Es gibt viele Möglichkeiten, der weiteren Ausbreitung des SARS-CoV-2-Erregers entgegenzuwirken. Einige davon, wie das Tragen von Masken, die Einhaltung von Sicherheitsabständen und regelmäßiges Desinfizieren der Hände, setzt das Gros der Bevölkerung täglich um. Doch nicht nur der Mensch, auch Computer können einen wichtigen Beitrag leisten. Auf deren Mitwirkung setzt die im Jahr 2002 an der kalifornischen Stanford University gestartete Initiative »Folding@home«, die sich der simulationsgestützten Erforschung von Krankheiten verschrieben hat. Seit März 2020 richtet sie ihren Fokus darauf, die Struktur des Corona-Virus im Detail zu untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, die Entwicklung eines geeigneten Medikaments zu beschleunigen.

 

Kooperativ erbrachte Performance

Um die erforderliche Rechnerkapazität aufbringen zu können, nutzt die Aktionsgemeinschaft das sogenannte »Verteilte Rechnen« (engl. = distributed computing). Bei diesem Verfahren wird eine zu lösende Aufgabe in kleinen Einheiten weltweit auf mehrere Rechner verteilt – unter anderem auf den Supercomputer NVIDIA DGX-2 des Fraunhofer IML. Dieser wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts »Innovationslabor Hybride Dienstleistungen in der Logistik« beschafft. Die Bezeichnung »Supercomputer« führt das für Aufgaben im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) optimierte System zu Recht. Denn es ist in der Lage, zwei Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde durchzuführen.

»Wir freuen uns, dass wir mit unseren vorhandenen Kapazitäten schnell und unkompliziert zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beitragen können«, sagt Christian Hoppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Software & Information Engineering am Fraunhofer IML. Er ist ebenso in das Projekt involviert wie sein Kollege Sebastian Roeder. Beide hatten spontan ihr Engagement darauf konzentriert und sind mit Herzblut bei der Sache.

Proteine im Fokus der Forschung

Erste Hinweise auf die Struktur des Virus konnten über Simulationsläufe bereits gewonnen werden. Dabei geht es zunächst darum, Kenntnisse über den Aufbau und die Funktionsweise des S-Proteins zu gewinnen, das die charakteristischen »Spikes« des Erregers bildet. Diese sind für die Bindung an Zellen im menschlichen Körper verantwortlich und eignen sich daher als Rezipient möglicher Gegenmittel. Auch die Überprüfung existierender Medikamente hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 läuft über Simulationen. 

Aktuell wird bei Folding@home getestet, welche Präparate die DNA-Replikationsmechanismen des Virus erfolgreich angreifen und eine Vermehrung in den Wirtszellen unterbinden können. Weitere Proteine, die zum Beispiel für den Aufbau und die Replikation der Viren zuständig sind, wurden ebenfalls mithilfe der durch Folding@home bereitgestellten Rechnerkapazitäten untersucht. Auf diese Weise lässt sich sukzessive Wissen über die Anlage des Erregers aufbauen.

 

Soforthilfe der etwas anderen Art

Nützlich für die Forscher sind bei diesen Simulationen vor allem GPUs, also Grafikprozessoren von Computern. Das liegt an den Vorteilen dieser »Graphics Processing Units«, wie Sebastian Roeder erklärt: »Eine CPU entspricht bildlich gesprochen einem Bodybuilder, der ein schweres Gewicht deutlich einfacher stemmen kann als drei Kinder. Dieses Trio ist jedoch wesentlich schneller darin, 30 Einkäufe für ältere Damen und Herren zu erledigen als der einzelne Bodybuilder.«

Christian Hoppe setzt aus einem anderen Blickwinkel an und vergleicht die Vorgänge innerhalb der Initiative mit denen eines großen Job-Portals: »Folding@home stellt ein Programm zum Download zur Verfügung, das einen Client installiert. Über diesen wird das Job-Portal für Rechner der Initiative in Form eines Webdienstes zugänglich. Die zu verarbeitenden Daten werden paketweise an die teilnehmenden Workstations verschickt und die Resultate nach getaner Rechenarbeit wieder zurückgemeldet.« Versender dieser Informationen sind in der Regel im universitären Bereich tätige Wissenschaftler. 

 

Beitragsleistung auf hohem Niveau

»Wir müssen lediglich je nach aktuellem internem Bedarf festlegen, welchen Grafikprozessoren wir es erlauben, diese Aufgaben zu übernehmen«, so Hoppe weiter. »Üblicherweise benötigen unsere Projekte meist zwischen einer und vier der 16 GPUs, sodass die hohen Rechenkapazitäten des Computers nie von einem Team blockiert werden.« Mit durchschnittlich 28 von 96 Prozessorkernen und vier von 16 GPUs stellt das Fraunhofer IML Folding@home seit Anfang April 2020 rund ein Viertel der Rechenleistung des institutseigenen Supercomputers zur Verfügung. Damit hat sich der Beitrag der involvierten Aktionsgruppe Fraunhofer@ home, die bis dato hauptsächlich die Ressourcen privat genutzter PCs beisteuerte, deutlich erhöht. Im weltweiten Ranking kletterte die Unterstützermannschaft zwischenzeitlich vom 9135. Platz auf Position 320.

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