Helena Piastowski, Abteilungsleitung Produktionslogistik, Fraunhofer IML

Eine kompakte Einführung

Wandlungsfähige und zukunftsorientierte Produktionssysteme sind Systeme, die sich adaptiv auf veränderliche interne und externe Komplexitätstreiber anpassen lassen (Veränderungen des Varianten- und Mengenmix, Integration neuer Produkte, Integration neuer Technologien, Berücksichtigung veränderlicher Mitarbeitendenbedürfnisse etc.). Dabei spielen modulare Systeme – beispielhaft die Matrixproduktion – eine bedeutende Rolle. Modulare Produktionssysteme zeichnen sich durch die Grundsätze der Modularität, Vernetzung und Selbstorganisation aus. [Kern 2021 – Modulare Produktion]

Die Matrixproduktion als Konzept einer modularen Produktion verbindet die Effizienz einer klassischen Linienfertigung mit der Flexibilität einer Werkstattfertigung. Arbeitsstationen sind nicht fest, sondern frei verketten und ermöglichen multiple Prozessfähigkeiten, so dass an jeder Arbeitsstation mehrere Arbeitsschritte durchgeführt werden können. Zudem sind Arbeitsstationen redundant im System verfügbar, so dass jeder Arbeitsschritt an mindestens zwei Stationen durchgeführt werden kann. Diese operationelle Flexibilität und Routing-Flexibilität ermöglichen deutlich mehr Freiheitsgrade für den Pfad, den ein Produkt durch die Produktion nimmt. Nötig sind ein flexibles Transportsystem und eine intelligente, kurzfristige Steuerung von Auftrag und Material. Der modulare Charakter der Arbeitsstationen ermöglicht das kurzfristige Skalieren des Gesamtsystems und unterstützt damit die Adaptivität des Systems. Die Adaptivität von Produktionssystemen kann sich dabei hinsichtlich der Automatisierung und Autonomisierung unterscheiden. [Greschke 2015 – Matrixproduktion als Konzept einer taktunabhängigen Fertigung]

Eine Matrixproduktion muss aber nicht zwangsläufig technologisch „high-level“ sein: Statt eines Transportsystems mit AGVs in Schwarmsteuerung ist in einer ersten Umsetzungsstufe z.B. auch der Transport mit konventionellen Unstetigförderern (Hubwagen, Stapler) denkbar. Technologien zur dezentralen Steuerung, autonomen Entscheidungsfindung, zum automatisierten Rüsten, für autonome (Re-)Konfiguration und Parametrisierung steigern jedoch die Performance.

Es gibt verschiedene „Reifegradstufen“ einer Matrixproduktion:

  1. Standard einer Matrixproduktion (Struktur ist Matrix, Steuerung ist ausbaufähig)
  2. Steigerung des Automatisierungsgrads
  3. Steigerung des Autonomisierungsgrads 

Eigenschaften Matrixproduktion:

  • Frei verkettete Fertigungs- und Montagestationen mit multiplen Prozessfähigkeiten
  • Wandlungsfähigkeit (Skalierbarkeit, Modularität, Universalität, Kompatibilität)
  • Intelligente Produktionsplanung und -steuerung PPS zur kurzfristigen und flexiblen Maschinenbelegungsplanung
  • Flexibles Transportsystem

Eignungskriterien Matrixproduktion:

[nach Kern 2021 – Modulare Produktion]

  • Vielfalt hinsichtlich Anzahl und Varianten im Produktportfolio
  • Tendenziell hohe Ausbringungsmenge
  • Dynamik im Produktangebot und in Kundennachfrage (Veränderungsumfang und -geschwindigkeit, Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen)
  • Produktstruktur: Arbeitsumfang und Freiheitsgrade in der Fertigungs-/Aufbaureihenfolge
  • Hohe Arbeitsteilung

Potenziale Matrixproduktion:

  • Stückzahlschwankungen zwischen Varianten können gut aufgefangen werden
  • Variantenmix-Flexibilität
  • Reduzierung von Taktzeitverlusten und Steigerung der Produktivität
  • Einfache und risikoarme Integration neuer Anlagen und Technologien
  • Verminderung der Auswirkung von Störungen

Was hat Matrixproduktion mit Resilienz zu tun?

Resilienz ist ein Begriff, der hauptsächlich mit unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsketten in Verbindung gebracht wird. Eine Wertschöpfungskette kann resilient sein, indem Flexibilität z.B. durch Redundanz (z.B. Multisource-Strategien in der Beschaffung) generiert wird. Auf feingranularer Ebene müssen aber auch die Produktionssysteme zu dieser Resilienz beitragen, indem sie systemimmanente Flexibilität besitzen und mit geringem Aufwand an darüberhinausgehende Anforderungen angepasst werden können (Wandlungsfähigkeit). Die Matrixproduktion ist ein Produktionskonzept, welches diese Anforderungen adressiert und als taktunabhängige Fließfertigung die Ziele Effizienz und Flexibilität verbindet. 

Für wissenschaftlich Interessierte

Literatur

  • Wolfgang Kern: Modulare Produktion - Methodik zur Gestaltung eines modularen Montagesystems für die variantenreiche Serienmontage im Automobilbau, Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2021.
  • Peter Greschke: Matrix-Produktion - Konzept einer taktunabhängigen Fließfertigung, ISBN-13: 9783752670004, 2020.

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