Smarte Kameras – die Augen der Logistik

smarte Kamera
© Fraunhofer IML
intelligente smarte Kamera

Sie ist intelligent, unkompliziert und hat wahnsinnig tolle Augen. Und das Beste: Es gibt sie wirklich – die Smarte Kamera. In Verbindung mit der zugehörigen Software zum Anlernen einer Künstlichen Intelligenz hat das Fraunhofer IML ein ebenso simples wie geniales »Starterkit« geschaffen, das den Weg für eine autarke und datenschutzkonforme Bildverarbeitung in der Logistikbranche ebnet.

Aber von vorne: Bildverarbeitung bzw. Computer Vision (CV) ist längst kein bloßes Modewort mehr, sondern hat sich als vielversprechender Digitalisierungsansatz für die Logistik etabliert. Mit CV lassen sich aus digitalen Bildern und Videos aussagefähige Informationen gewinnen, die die Grundlage für effiziente Prozessoptimierungen und Kosteneinsparungen bilden.

Die Hardware: die intelligente Kamera

Ein vielversprechendes Beispiel für die Umsetzung von Computer Vision im industriellen Umfeld ist die Smarte Kamera. Sie besteht aus einem 3D-gedruckten Gehäuse, einem Kamerasensor und einem Objektiv – alles modulare, am Markt erhältliche Zukaufteile, sodass die Kamera an den jeweiligen Anwendungsfall und die damit verbundenen Anforderungen an die zu verarbeitenden Bilder angepasst werden kann. Ihre Intelligenz erhält die Kamera durch ein sogenanntes NVIDIA Jetson Board, einen Minicomputer im Scheckkartenformat mit Grafikprozessor. »Durch die steigende Rechen- und Grafikleistung solcher Embedded Boards können Smarte Kameras die aufgenommenen Bilder direkt auf dem Gerät auswerten, ohne dass die Bilder an einen zentralen Server übertragen werden müssen«, erklärt Julian Hinxlage, Projektverantwortlicher am Fraunhofer IML. »Die Vorteile liegen auf der Hand: Dateneffizienz und Datenschutz«, ergänzt Hinxlage. Da die Kamera nur relevante Informationen und keine kompletten Bilddaten überträgt, wird die Belastung der Netzwerke deutlich reduziert. Dies führt zu einer effizienteren Datenübertragung. Zudem benötigt die Kamera lediglich eine Stromquelle und kann bei Bedarf mit LAN, WLAN oder Mobilfunk verbunden werden. Damit eignet sie sich besonders für den Einsatz an Orten mit eingeschränkter Infrastruktur. Da keine personenbezogenen Bilddaten weitergegeben werden, ist die Smarte Kamera zugleich eine datenschutzfreundliche Lösung. Sie ist in der Lage, Bilder zu analysieren und relevante Informationen zu extrahieren, ohne sensible Daten preiszugeben. Das ist insbesondere dann von Vorteil, wenn Personen im Bild sichtbar sind. »Vielleicht hat der Betriebsrat gewisse Vorbehalte oder Bedenken dagegen, aber ob ein Mitarbeiter gerade Mist baut, um es mal so zu formulieren, oder eine zu lange Pause macht, das erkennt die Kamera gar nicht. Die Bilddaten verlassen die Kamera nicht, sie gibt nur eine bestimmte Information weiter, letztlich wie ein Eintrag in eine Datenbank«, veranschaulicht Hinxlage.

Die Software: das Herzstück der KI-basierten Bildverarbeitung

Neben der Smarten Kamera bildet die entwickelte Software das Herzstück des Projekts. Diese ermöglicht das Training von KI-Modellen für die Bildverarbeitung und umfasst verschiedene Komponenten und Werkzeuge zur Datenerhebung und -verwaltung und zum Training der Modelle. Der Prozess beginnt mit der Datenaufnahme, gefolgt von der Annotation der Bilddaten, bei der bestimmte Objekte oder Merkmale im Bild markiert werden. »Wenn ich zum Beispiel Personen im Bild erkennen will, oder vielleicht will ich Personen auch einfach nur ausblenden, dann muss die KI sie erst einmal als solche erkennen, und dazu ziehe ich quasi um alle Personen im Bild ein kleines Kästchen und ordne sie dann der Klasse ›Personen‹ zu, damit der Algorithmus nach dem Training weiß, so sieht ein Mensch aus, das sind also die Merkmale, auf die ich achten muss«, erläutert Hinxlage.

Nach der Annotation erfolgt die eigentliche Magie: das Modelltraining. Dabei wird auf Basis der annotierten Daten ein KI-Modell entwickelt und auf die Smarte Kamera übertragen, um anschließend die Interpretation neuer Daten in Echtzeit zu ermöglichen. »Wir haben mit bestehenden Daten trainiert und jetzt muss die KI das Erlernte auf neue Daten anwenden. Wenn also jetzt eine Person durchs Bild läuft, die vorher noch nie aufgenommen wurde, muss die Kamera dieses Objekt trotzdem als Person erkennen«, erläutert Hinxlage. Je nach Anwendungsfall und Komplexität kann das Training nur wenige Minuten oder auch einige Wochen dauern. Die Software verfügt über viele gängige Komponenten und Tools des KI-Trainings. Was sonst aber mühselig über einzelne Komponenten erarbeitet werden muss, findet sich alles in dem geführten Training. »Ich habe alles an einem Ort und kann mir meine eigene KI in wenigen Minuten generieren und bin sogar noch schneller, weil ich jederzeit neue Objekte antrainieren kann«, erklärt Hinxlage. »Und diese Smarte Kamera ergänzt das eigentlich noch, weil ich die Software habe und dieses einzelne Gerät, und damit kann ich auch schon loslegen, ohne alles zusammenstellen oder verkabeln zu müssen. Das soll im Prinzip das Starterset, das Startpaket für die Bildverarbeitung sein. Gerade wenn man an kleine und mittlere Unternehmen denkt«, so Hinxlage weiter. Damit möglichst viele Unternehmen davon profitieren können, stehen sowohl das Kameragehäuse als auch die Software im Rahmen der »Silicon Economy« quelloffen zur Verfügung.

Breites Einsatzfeld für Kamera und Software

Mit der Software lassen sich verschiedene Anwendungsfälle der Bildverarbeitung realisieren, beispielsweise das Zählen von Behältern oder die Erkennung von Palettentypen bei der Verladekontrolle im Warenein- und -ausgang. Auch Qualitätsprüfungen und die Optimierung von Lagerplatzbelegungen sind mögliche Szenarien. Die Kamera kann aber auch im Außenbereich eingesetzt werden, um die Platzierung von Lkw auf dem Hof zu überwachen. Steht ein Lkw am falschen Tor und droht falsch beladen zu werden, kann die Kamera den Fehler melden, insbesondere, wenn sie direkt mit dem Hof-Management-System verbunden ist. So kann vermieden werden, dass der Lkw wieder entladen und neu beladen werden muss oder im schlimmsten Fall mit der falschen Ware am Zielort ankommt. Die Resonanz auf die entwickelte Software und die Smarte Kamera ist positiv. Die vereinfachte Bildverarbeitung und die benutzerfreundliche Oberfläche ermöglichen es auch Fachfremden, ihre eigenen KI-Modelle zu erstellen und so die Potenziale von Künstlicher Intelligenz in der Logistik besser auszuschöpfen. »Tatsächlich ist es für viele Unternehmen eine Hürde, sich mit (der KI-basierten) Bildverarbeitung auseinanderzusetzen, weil sie keinen Zugang dazu haben und schlicht nicht wissen: Wie fange ich damit an? Was muss ich dafür tun? Das wusste ich vorher auch nicht«, berichtet Julian Hinxlage lachend. Damit erweisen sich die Smarte Kamera und die innovative Software als ideale Lösung für alle Unternehmen, die angesichts steigender Datenmengen und Datenschutzbedenken nach effizienten und datensparsamen Bildverarbeitungslösungen suchen. Mit ihrer Autarkie, Dateneffizienz und Datenschutzfreundlichkeit ist die Smarte Kamera eine vielversprechende Innovation für die Logistik von morgen.

Julian Hinxlage, M. Sc.

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Julian Hinxlage, M. Sc.

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