KI - Fluch oder Segen für die Arbeitswelt

Die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) verunsichert viele Menschen. Sie befürchten, dass sich diese Technologie langfristig als Jobkiller entpuppt. Diese Angst will das Fraunhofer IML nehmen. Verantwortungsvoll eingesetzte KI kann die Arbeitswelt derart reformieren, dass der Mensch profitiert. 

Wie intelligente Zukunftstechnologien für die Logistik aussehen könnten, zeigte die Dortmunder Ideenschmiede anlässlich des Besuchs von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Dieser hat die Zusammenarbeit von Mensch und KI in der Arbeitswelt zur Chefsache erklärt. Im Rahmen seiner Sommerreise durch Nordrhein-Westfalen, die im Zeichen von Themen wie Arbeitssicherheit, Fachkräftemangel und Zusammenarbeit von Mensch und KI stand, hat Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, gemeinsam mit Journalistinnen und Journalisten unter anderem das Fraunhofer IML besucht. Im Fokus des Besuchs standen Zukunftstechnologien, die die Arbeitswelt der Zukunft prägen werden. Dass der Minister als letzte Station seiner Reise das Dortmunder Institut wählte, war sicherlich kein Zufall, denn hier wird bereits seit Jahren an innovativen Lösungen für die Arbeitswelt der Logistik geforscht. Mit dem Ausruf der »Silicon Economy«, einer Open-Source-Infrastruktur für die Plattformökonomie der Zukunft, und der »Social Networked Industry«, in der Mensch und KI partnerschaftlich in sozialen Netzwerken zusammenarbeiten, hat das Fraunhofer IML schon vor einigen Jahren den Grundstein für die Erforschung der Technologien von morgen gelegt. Von der hohen Innovationskraft des Instituts konnte sich der Bundearbeitsminister vor Ort überzeugen.

Die Logistikwelt steht vor großen Herausforderungen

Hubertus Heil Sommerreise Dortmund
© Fraunhofer IML
Besuch des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil der SPD im Sommer 2023

Die zunehmende Komplexität und Schnelllebigkeit in der Logistik stellen sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte vor große Herausforderungen. Riesige Datenmengen müssen verarbeitet werden, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden, die entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sind. Hinzu kommen der Fachkräftemangel und der demografische Wandel. Die Personaldecke wird immer dünner, die Mitarbeitenden immer älter. Mehr denn je kommt es darauf an, die Arbeit für die Menschen besser zu gestalten – effizienter, schonender, nachhaltiger. Hier kommt die KI ins Spiel. Sie ist zukünftig nicht nur im Bereich von Wettbewerbsvorteilen ein entscheidender Faktor, sie nimmt auch Einfluss auf das Arbeitsleben jedes Einzelnen. Sie kann den Menschen dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, Arbeit effizienter zu organisieren, und sie zeigt Lösungswege auf, um z. B. dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. 

KI kann zentrale Zukunftsaufgaben lösen

 

Für das Fraunhofer IML ist die KI die entscheidende Zukunftstechnologie des 21. Jahrhunderts. Mit ihrer Hilfe entstehen neue Märkte, die es zu entdecken gilt. Als Schlüsseltechnologie bietet KI große Chancen für den Wohlstand und eine moderne Arbeitswelt. Doch um KI-Anwendungen im betrieblichen Alltag einzusetzen, braucht es für Unternehmen und Beschäftigte Sicherheit und Vertrauen. Deshalb ist die Vision einer »Social Networked Industry«, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und partnerschaftlich mit Maschinen arbeitet, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung. Das Fraunhofer IML hat seine Forschungsarbeit breit gefächert. Sie reicht von der Steigerung der Effizienz bei Produktionsabläufen und dem Ressourcenmanagement, der Flexibilität von logistischen Abläufen und Systemen über die Erhöhung der Transparenz von Entscheidungen und Prozessen bis hin zur Anpassung der Abläufe im Betrieb an favorisierte Arbeits- und Lebensmodelle. In der »Social Networked Industry« wird in zahlreichen Projekten an Lösungen gearbeitet, um diese positive Zukunftsvision umzusetzen und gleichzeitig sicherzustellen, dass der Standort Deutschland bei der rasanten Entwicklung von KI Schritt halten kann. 

»In naher Zukunft werden Menschen und Künstliche Intelligenz partnerschaftlich zusammenarbeiten und KI wird nicht nur Auskunft geben, sondern zunehmend aktiv handeln. Es stellt sich die Frage, nach welchen Maximen dies geschieht. Wir laufen auf eine Zäsur zu, deren Grundsätzlichkeit an einen ›Kategorischen Imperativ für Künstliche Intelligenz‹ denken lässt – auch wenn der Vergleich noch ein wenig hinkt. Es ist unsere Aufgabe, einen Rahmen für die Zusammenarbeit von Menschen und KI nach unseren Normen und Maßstäben zu sichern, aber auch technisch umzusetzen. Daran arbeiten wir am Fraunhofer IML gemeinsam mit unseren Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft mit Hochdruck«, erklärte Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML, anlässlich des Besuchs von Bundeminister Hubertus Heil.

KI-Strategie der Bundesregierung

Auch die Bundesregierung verfolgt bereits seit 2018 eine KIStrategie: Deutschland soll zum weltweit führenden Standort für KI werden, insbesondere durch einen umfassenden und schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in Anwendungen sowie durch die Modernisierung der Verwaltung. Das Ziel ist eine Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit auf vielfältigen Ebenen. Dazu gehören das Anwerben und Ausbilden von KI-Fachkräften wie auch die Etablierung wichtiger und leistungsstarker Forschungsstrukturen. Die Bundesregierung sieht sich in der Pflicht, eine verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Nutzung von KI in Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und der Zivilgesellschaft voranzubringen. Auf der Grundlage europäischer Werte, wie der Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Achtung der Privatsphäre und des Gleichheitsgrundsatzes, sollen die Potenziale der neuen Technologie gehoben werden. 

Hubertus Heil Sommerreise Dortmund
© Fraunhofer IML
Hubertus Heil unterhält sich mit Jana Jost

KI muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt

Im Bewusstsein dieser großen Verantwortung hat sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil das Thema »Zusammenarbeit von Menschen und Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt« auf die Fahne geschrieben. Dabei ist für ihn KI nicht nur irgendeine Innovation. Sie ist vielmehr eine Basisinnovation, die unsere Wirtschaft und unser Leben insgesamt verändern und verbessern wird. Er sieht eine der Aufgaben des Bundesarbeitsministeriums darin, international gute Beispiele für menschzentrierte Anwendungen Künstlicher Intelligenz bzw. intelligenter Werkzeuge und Systeme in der Arbeitswelt zu identifizieren. Dabei stehen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Mittelpunkt sowie die Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Talente, ihre Selbstbestimmtheit, Sicherheit und Gesundheit. Durch die KI entstehen laut Heil neue Berufe, und viele Arbeitsabläufe werden derart vereinfacht, dass der Mensch davon profitieren kann. »Digitale Technologien, insbesondere KI-Anwendungen wie ChatGPT, werden die Arbeit vieler Beschäftigter verändern. Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt bringt daher viele Chancen, den Arbeitsablauf in Betrieben zu vereinfachen. Nach Lösungen zu suchen, wie hier am Fraunhofer-Institut, um dies weiter zu optimieren, ist aus meiner Sicht als Arbeitsminister auch ein wichtiger Beitrag, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Ich bin überzeugt, dass diese technologische Entwicklung das Arbeitsleben besser machen kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass wir diese Technologie aktiv gestalten. Unser Ziel ist es, dass KI dem Menschen dient, nicht umgekehrt«, sagte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, bei seinem Besuch in Dortmund. Um das gemeinsame Ziel von Bundesregierung und Fraunhofer IML zu unterstreichen, erhielt die Reisegruppe um Bundesarbeitsminister Heil in den Forschungshallen des Instituts Einblicke in zukunftsweisende Technologien aus Forschung und Anwendung. Zudem hatte der Minister zahlreiche Möglichkeiten zur eigenen Interaktion mit Maschinen.

KI-Algorithmen für komplexe logistische Aufgaben

Hubertus Heil Sommerreise Dortmund
© Fraunhofer IML
Hubertus Heil steuert biointelligenten Drohnenschwarm

Unter anderem konnte Heil einen biointelligenten Drohnenschwarm steuern. Der intelligente Drohnenschwarm des Fraunhofer IML und der TU Dortmund imitiert die Intelligenz eines Vogelschwarms und visualisiert als Cyberphysischer Zwilling auch virtuelles Verhalten. Mit der Erprobung von KI-Algorithmen im dreidimensionalen Raum und einem hochdynamischen System lassen sich zum Beispiel Lösungen für komplexe logistische Aufgaben finden und in die Anwendung übertragen. Mit diesem Forschungsprojekt zeigen die Forschenden nicht nur die Vorteile des schnellen Datenaustauschs und die Sicherstellung eines kollisionsfreien Pfades der Drohnen, es unterstreicht auch die innovativen Möglichkeiten, die sich bieten, wenn Maschinelles Lernen in einen industriellen Kontext integriert wird. 

Exoskelett als Rüstung für die Arbeit der Zukunft

Für verschiedene Lagertätigkeiten testete der Minister die Hilfe eines Exoskeletts: Die am Körper getragenen (elektro-) mechanischen Stützstrukturen sollen die physische Gesamtbelastung bei der Ausübung von Arbeitstätigkeiten reduzieren und bestimmte Körperregionen wie den Rücken entlasten. Auf lange Sicht ließe sich so den hohen Krankenständen durch Überbelastung des Muskel-Skelett-Systems in der Logistik und damit auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Im Exoskelett Lab am Fraunhofer IML werden in einem Intralogistikparcours verschiedene passive und aktive Exoskelette auf ihre Eignung in der Logistik getestet. Auf Basis typischer Tätigkeiten im Logistikumfeld führen die Forschenden herstellerunabhängige Tests und Trainings durch. Mit dem Einsatz von KI werden Exoskelette automatisiert individuell eingesetzt und die Arbeitskräfte von morgen interaktiv, intuitiv und bedarfsgerecht unterstützt. Dabei tragen KI-basierte Ansätze zur Echtzeiterfassung von Aktivitäten wie Körperhaltungen und -bewegungen sowie Zuständen wie Ermüdung zur Verbesserung der Ergonomie bei.

Arbeitswelt von Morgen Hubertus Heil Exoskelette
© Fraunhofer IML
Hubertus Heil probiert mit einem Exoskelett eine Kiste zu tragen.

Autonome Robotersysteme sind die Kollegen der Zukunft:

Hubertus Heil und evoBot
© Fraunhofer IML
Hubertus Heil nimmt ein Paket aus den Armen des evoBots

Ein weiteres Highlight war der am Fraunhofer IML entwickelte »evoBOT« – ein autonomer mobiler Roboter (AMR), der mit seinen zwei Armen eine neue Generation von Transportrobotern begründet. Durch seine hohe Agilität und Flexibilität ist der »evoBOT« nicht auf einen logistischen oder industriellen Kontext beschränkt, sondern kann in vielfältigen Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Das dynamisch stabile System beruht auf dem Prinzip eines inversen Pendels. Dies erlaubt dem autonomen Roboter, dauerhaft im Gleichgewicht zu bleiben. So kann er auch auf unebenem Gelände sicher agieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Robotersystemen ist der »evoBOT« nicht nur auf Schieben und Ziehen von Gütern beschränkt. Durch das bioinspirierte Design ist er auch ideal für die Mensch-Technik-Interaktion.

Speed-Roboter zeigen Formel 1 auf dem Hallenboden

Mit dem »LoadRunner« präsentierten die Forschenden des Fraunhofer IML einen High-Speed-Roboter für Sortier- und Verteilprozesse. Der »LoadRunner« wird aktuell gemeinsam mit der KION Group industrialisiert und hat bereits mehrere Praxistests beim KEP-Dienstleister DPD absolviert. Um die Technologie weiterzuentwickeln und für die Industrialisierung zu optimieren, wurde am Fraunhofer IML das »KION Enterprise Lab« gegründet. In der Anwendung zeichnet sich der »LoadRunner« vor allem durch seine hohe Geschwindigkeit und eine schnelle Inbetriebnahme aus.

Hubertus Heil Sommerreise Dortmund
© Fraunhofer IML
Hubertus Heil schaut sich bei seinem Besuch im Sommer 2023 Speed Roboter an

Mittels KI und Open Source zu neuen Möglichkeiten in der Objekterkennung

Hubertus Heil Sommerreise Dortmund
© Fraunhofer IML
Art COBOT – einen 3D-Sensorik-Demonstrator wird Hubertus Heil vorgeführt

Um zu demonstrieren, wie das Fraunhofer IML mittels KI und Open Source zu neuen Möglichkeiten der Objekterkennung gelangt, präsentierten die Forschenden eine Art COBOT – einen 3D-Sensorik-Demonstrator. Dieser demonstriert eine 3D-Objekterkennung und das Greifen von unterschiedlichen, nicht sortenreinen Artikeln aus dem Retail- und ECommerce-Bereich aus einem Behälter. Der Use Case ist an eine typische Problemstellung aus dem Bereich Bin Picking (Griff in die Kiste) bzw. Belt Picking (Vereinzeln von Objekten auf dem Förderband) angelehnt. Die zufällig angeordneten Objekte werden von einem 3D-Sensor erfasst. Mithilfe von KI lassen sich die Sensordaten anschließend auswerten. Hierzu erfolgten mittels der KI eine pixelweise Klassifikation und Segmentierung der verschiedenen Objekte im Behälter.

Hubertus Heil Sommerreise Dortmund
© Fraunhofer IML
Besuch des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil der SPD im Sommer 2023