KI-Box haucht Robotern Intelligenz ein

Für das Fraunhofer IML ist der Mensch mit seinen vielseitigen Fähigkeiten für komplexe Aufgabenstellungen in der Logistik nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil. Die Forschenden arbeiten deshalb an neuen Formen der Mensch-Technik-Interaktion unter Zuhilfenahme der Künstlichen Intelligenz (KI), die an den Menschen dynamisch angepasst werden können, damit sich die Stärken beider Seiten optimal nutzen lassen. Mit »RAI – Remote AI« sind die Dortmunder diesem Ziel ein Stück nähergekommen.

Für das Fraunhofer IML ist die Automatisierung von Prozessen nicht als Alternative zum Menschen zu sehen. Für sie geht es vielmehr darum, Tätigkeiten zu automatisieren, die sich z. B. durch Monotonie auszeichnen und Mitarbeiter bei deren Ausführung unterfordern oder für die, aufgrund von Personalmangel, Mitarbeiter fehlen. Deshalb liegt bei ihrer Forschungsarbeit der Fokus auf dem Zusammenspiel von Mensch und Technik. »Wir wägen abhängig vom Anwendungsfall ab, welcher Bereich wie automatisiert werden kann und wo sich ein durch Menschen ausgeführter Prozess durch Kollaboration mit Technik verbessern lässt«, erklärt Sebastian Hoose, Abteilung für Robotik und kognitive Systeme, Fraunhofer IML. »Dabei ist sowohl für den Bereich der Automatisierung als auch für das Zusammenspiel von Mensch und Technik die Sensorik ein wesentliches Bindeglied.«

Sensorbox RAI oder Künstliche Intelligenz to go

 Mithilfe von Algorithmen zur Positionsbestimmung und Kameras für die Rundumsicht können sich Roboter in Umgebungen mit hoher Dynamik, wie zum Beispiel im Lager oder teilöffentlichen Bereichen, fortbewegen und dort Transportaufgaben übernehmen. Für die Schnittstelle zum AGV (Automated Guided Vehicle) sind lediglich niederschwellige Softwareanpassungen nötig, die schnell und unkompliziert umgesetzt werden können. Der Clou dabei ist, dass sich sogar bestehende Fahrzeugflotten umrüsten lassen. Den ersten öffentlichen Auftritt hatte RAI auf der LogiMAT 2023 in Stuttgart. Hier demonstrierten die Forschenden die KIBox auf einem AGV mit Hub zum Regaltransport, wie es beispielsweise in Krankenhäusern zum Einsatz kommt. Die Grundidee zu »RAI – Remote AI« kam den Dortmunder Forschenden im Rahmen des vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekts zur Krankenhauslogistik »5G-Remote Assistance for Robotics« (kurz »5G – RemROB«). Im Fokus des im »5G.NRW Competence Center« angesiedelten dreijährigen Projekts steht unter anderem die Autonomisierung von Servicerobotern für Krankenhäuser. Diese sollten sich an unterschiedlichen Einsatzorten im Krankenhaus bei Publikumsverkehr sicher fortbewegen und Transportaufgaben übernehmen. 5G wird hierbei für eine Remote Assistance benötigt. Die Datenverarbeitung mithilfe von KI-Algorithmen wie neuronalen Netzen stellt sicher, dass sich Robotersysteme wie AGVs in ihrer Umgebung und auch in der Interaktion mit dem Menschen zurechtfinden.

Eine Lösung für unterschiedliche Anwendungsbereiche

KI Box in Lagerhalle
© Fraunhofer IML
KI Box steht vor einem Regal mit Paketen in einem Lager

Das im Projekt »5G – RemROB« gesammelte Wissen floss dann in die Entwicklung von RAI ein. Die intelligente Sensorbox enthält die komplette Rechenhardware ebenso wie unterschiedliche Sensoriken und ist für ein breiteres Anwendungsspektrum geeignet. Die 5G-kompatible Box lässt sich auf beliebige Robotersysteme aufschrauben. Der Nutzer erhält für seine jeweilige Anwendung ein autonomes Fahrzeug mit integrierter KI und erweiterbaren Fähigkeiten. »RAI – Remote AI« ist eine dem Plug-and-Play-Prinzip nahekommende modulare Lösung und bietet von KI-basierter Bilderkennung bis zur Lokalisierung alles, was das Roboterherz begehrt. 

»Das besondere bei RAI ist neben der Modularität, dass erweiternde KI-Algorithmen, zum Beispiel zur Bilderkennung, direkt mit integriert sind, damit sich ein Robotersystem nicht nur in der Umgebung lokalisieren kann, sondern auch erkennt, was tatsächlich in der Umgebung passiert. Eine Kiste ist somit nicht nur ein Hindernis«, so Hoose, »sondern der Roboter weiß, dass es sich bei dem Hindernis um eine Kiste handelt.« Auch die Energiequelle ist kein Problem: Eine eigene Energieversorgung ist nicht nötig, da die Box die notwendige Energie über den Roboter bezieht. Auf Kundenwunsch übernimmt das Fraunhofer IML sogar die Anpassung der Software-Schnittstelle zwischen Box und Roboter. Dank der hohen Modularität des Roboters sind verschiedenste Anwendungsszenarien, auch mit erhöhten Anforderungen an die Mensch-Technik-Interaktion, realisierbar. Damit ist die intelligente Box laut den Forschenden die ideale Lösung für Sensorhersteller, AGV-Produzenten oder Endanwender. Aufgrund der Modularität kann »RAI – Remote AI« auf eine Vielzahl weiterer Anwendungsfälle angepasst werden. Die KI-basierte Objekterkennung ließe sich unter anderem für die Suche nach verlorenen Paketen in einem Verteilzentrum einsetzen. Ein weiteres denkbares Einsatzfeld von RAI ist die Kommissionierung: So könnten Roboter Kommissionierende anleiten, welches Material sie an welchem Ort als nächstes entnehmen sollen – oder sie könnten erkennen und dokumentieren, welche Materialien aus einem bestimmten Lagerbereich entnommen wurden.

5G-Echtzeitkommunikation zwischen Mensch und Maschine

Das Design der Box wurde mit menschlichen Gesichtszügen versehen, damit die Symbiose von Menschen und Technik auch optisch überzeugt. Die Interaktion mit RAI erfolgt in Echtzeit – entweder über das eingebaute QLED-Display (mit Touch) oder über Smart Glasses. So kann beispielsweise eine Fachkraft mithilfe der integrierten Remote Assistance eine Fernwartung am Fahrzeug einfach und unkompliziert durchführen. Das wiederum bietet den Vorteil, dass Technikerinnen und Techniker seltener für Wartungsarbeiten oder Fehlerbehebungen ausrücken müssen. Zudem könnten auch Kommissionierende bei der Warenentnahmeoder -eingabe (sogar per Lautsprecher) angeleitet werden. Für die Kommunikation in Echtzeit verwendet das Fraunhofer IML den 5G-Standard. Die Verwendung von 5G erleichtert die Integration beim Endverbraucher. Zum Beispiel im Krankenhauseinsatz muss der Roboter nicht in das WLAN-Netz gebracht werden. Es sind keine speziellen Anforderungen bzw. Anpassungen der WLAN-Infrastruktur nötig, die weitere Investitionskosten erfordern. Der Netzstandard ermöglicht eine schnelle und sichere Datenübertragung in Echtzeit zwischen verschiedenen Systemkomponenten, wie zum Beispiel zwischen Sensortechnik und Fernassistenz. Das ist für eine schnelle Fehlerbehebung essenziell. Der Roboter kann sich aber nicht nur per 5G mit einem Remote User verbinden, sondern dank neuronaler Netze auch vom Menschen trainiert werden. Es können verschiedene Szenarien auf der Datenbank hinterlegt werden, sodass er immer seltener die Hilfe seines menschlichen Kollegen benötigt. Dieser kann sich dann auf seine eigenen Aufgaben konzentrieren. Der Lernerfolg einzelner Fahrzeuge lässt sich dank des sogenannten »Lifelong AI Training« auch auf andere Roboter oder sogar auf eine gesamte Flotte übertragen

Sebastian Hoose, M.Sc.

Contact Press / Media

Sebastian Hoose, M.Sc.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Abteilung Robotik und Kognitive Systeme

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
Joseph-von-Fraunhofer-Straße 2-4
44227 Dortmund

Telefon + 49 231 9743-490