Interview mit Prof. Uwe Clausen

»Im Fernverkehr könnten Wasserstoff-Lkw gegenüber batterieelektrischen Fahrzeugen eine Chance haben«

 Prof. Uwe Clausen

Welche Bedeutung wird Wasserstoff als Energie träger in der Zukunft einnehmen? 

Wir sehen aktuell einen Transformationsprozess, nicht nur, aber vor allem in Europa, in dem Strom und Wasserstoff sehr stark an Bedeutung gewinnen werden. Dabei wird Wasserstoff insbesondere als Energieträger für eine Dekarbonisierung von Grundstoffindustrien bspw. der Stahlindustrie benötigt. Hier ist langfristiges Ziel, den Einsatz von Kohle und Koks durch ›grünen Wasserstoff‹ zu ersetzen. Bislang wird auch Wasserstoff noch zum weit überwiegenden Teil aus der Reformierung fossiler Brennstoffe gewonnen. Die Industrie hat eine deutliche Erhöhung der Elektrolyseurkapazität zugesagt und die Politik im Gegenzug erhebliche direkte und indirekte Fördervolumina.

Für die Anerkennung von Wasserstoff als erneuerbare Energie hat die EU Kommission in Rechtsakten Kriterien wie die Zusätzlichkeit (der erneuerbaren Energieerzeugung) sowie deren zeitliche und räumliche Korrelation mit Strombezug der Elektrolyseure festgelegt. Bis Ende 2027 sind besondere Regeln zur Förderung eines ›Markthochlaufs‹ möglich. Ob dieser im ambitionierten Zeitplan und im gewünschten Umfang realisiert werden kann, wird neben den technischen Kapazitäten der Hersteller von der Preisentwicklung bei CO2 -Zertifikaten und der erreichbaren Kostendegression in der WasserstoffErzeugung abhängen. Der benötigte Wasserstoff wird in jedem Falle zu einem – vermutlich größeren – Teil importiert werden müssen. Bei einem Ausbau auf bspw. 10 GW Elektrolyseurleistung bis 2030 in Deutschland könnte dies ein zusätzlicher Bedarf von bspw. 30 GW globaler Elektrolyseurleistung sein. Auch im Verkehr kommt Wasserstoff als Antriebsenergie zum Einsatz. Bei Pkw sind die Stückzahlen bislang gegenüber den Verbrennern und batterieelektrischen Fahrzeugen vernachlässigbar klein. Auch im Lkw-Bereich ist derzeit der Anteil zwar bislang noch ein geringer, aber hohe Energiedichte könnte dafür sprechen, dass im Fernverkehr Wasserstoff-Lkw gegenüber batterieelektrischen Fahrzeugen eine Chance haben. Aus Praxiserfahrungen bspw. der Mewa Textillogistik wissen wir um die Alltagstauglichkeit, ein gutes Feedback des Fahrpersonals und eine zufriedenstellende Reichweite von ca. 500 km. Die Anschaffungskosten sind ggü. den klassischen Dieselfahrzeugen deutlich erhöht und auch über den gesamten Lebenszyklus betrachtet sind aktuell (noch) Diesel-Lkw günstiger.

Auch für die Schiff- und Luftfahrt werden Wasserstoffantriebe erprobt. Innovative Nischenanbieter haben bereits vor Jahren viersitzige Passagierflugzeuge mit WasserstoffBrennstoffzellentechnologie an den Markt gebracht und Airbus, MTU und andere Hersteller entwickeln Flugzeugmuster, die bis 2035 mit Wasserstoffantrieb einsetzbar sein sollen. MSC Cruises will in Kooperation mit der italienischen Werft Fincantieri und dem Energiespezialisten Snam ein Kreuzfahrtschiff mit Wasserstoff-Antrieb auf den Markt bringen. Derzeit ist die Wirtschaftlichkeit in vielen Anwendungen noch nicht gegeben und wird in Zukunft davon abhängig sein, wie günstig ›grüner Wasserstoff‹ tatsächlich herzustellen ist und welche Randbedingungen sich in globalen Märkten für die Verringerung von Treibhausgasemissionen für Unternehmen ergeben. 

Was sind die größten Herausforderungen dieser  Zukunftstechnologie aus logistischer Sicht? 

Wasserstoff wird in Zukunft in großem Umfang und auch oft über große Entfernungen transportiert werden müssen. Er kann grundsätzlich als Massengut zu Wasser, auf Straße und Schiene oder in Pipelinenetzen transportiert werden. Die wirtschaftlichste Option an Land ist der leitungsgebundene Transport, der jedoch erhebliche Investitionen (wie für den ›European hydogen backbone‹ ausgearbeitet) und für geringe Transportpreise je tkm dann eine gute Auslastung erfordern wird. Die Nutzung von Erdgasleitungen wurde diskutiert. Eine solche Umnutzung ist jedoch nur nach Umrüstungen mit anderen Verdichtern, Mess- und Regelanlagen denkbar. Jede leitungsgebundene Infrastruktur ist kapitalintensiv und über sie werden viele in der Fläche verteilte Empfänger (zunächst) nicht erreicht. 

© Fraunhofer IML
Prof. Dr.-Ing. Uwe Clausen

Welche Lösungsansätze kann das Fraunhofer IML als Logistikinstitut zu diesen Herausforderungen beitragen? 

Beim Transport in Einzelgebinden ist eine hohe Verdichtung mit Drücken von 250 bar bis zu 500 bar anzustreben. Die Komprimierung benötigt Energie und die Handhabung große Sorgfalt. Als IML engagieren wir uns in Fragen der Infrastruktur- und Transportkettenplanung und – z. B. im Projekt H2LogisticsOnRail – für Behälter- und Umschlaglösungen als Beitrag für eine nachhaltige Energielogistik.