Die Europalette wird smart und intelligent

800 mm Länge × 1.200 mm Breite × 144 mm Höhe – seit Jahrzehnten gelten diese Dimensionen als das Maß aller Dinge in der Logistik. Es gibt kaum ein Lager- oder Transportsystem, das nicht an diese Maße angepasst ist. Gemeint ist die universell einsetzbare EPAL-Europalette, ohne die Warentransporte heutzutage undenkbar wären. Und obwohl sie der wichtigste Ladungsträger in der Logistik ist, strotzt sie nicht gerade vor Innovation in der IT. Das wird sich jetzt ändern, denn die European Pallet Association e. V. (EPAL) und das Fraunhofer IML arbeiten daran, dem ursprünglichsten aller Ladungsträger Intelligenz einzuhauchen. 

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Im Zuge von Industrie 4.0 ergeben sich technische Möglichkeiten für automatisch verfolgbare und steuerbare Ladungsträger, die uns helfen, den Informationsfluss genauso gut zu steuern wie sie aktuell helfen, die Ware zu transportieren. Ware von A nach B zu schicken, ist in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr der einzige Service, den eine Palette anbieten kann. »In der digitalen Welt bleibt die Palette ein Stück Holz. In diesem Stück Holz verbirgt sich aber ein riesiges Potenzial, das nur genutzt werden muss«, erklärt Dr. Volker Lange, Leiter der Verpackungs- und Handelslogistik am Fraunhofer IML. Seit Januar 2018 arbeitet sein Team innerhalb des »Fraunhofer Enterprise Lab« gemeinsam mit EPAL an der Digitalisierung des weltweit größten offenen Palettenpools. 

In Zukunft soll die Palette dem Verwender sagen, wann sie ankommt, ob sie oder die transportierte Ware auf dem Weg Schaden genommen hat, und kein Paletten-Nutzer muss mehr zählen, dokumentieren oder über die Palettenqualität diskutieren – das Ladungsträgermanagement übernimmt diese Aufgaben einfach selbst!

Vier Stufen bis zum integrierten Gesamtsystem 

In einem vierstufigen Verfahren soll die Standard-Europalette Teil eines großen Gesamtsystems mit eigener Sensorik und IT-Infrastruktur werden. Dazu erhalten die bisher identischen Paletten in einem ersten Schritt einen QR- oder Barcode, damit sie identifizierbar sind. Jede einzelne Palette kann dann im Warenfluss verfolgt werden. Der Einbau eines Sensors macht die Palette intelligent – sie wird dadurch vom Ladungs- zum Informationsträger. Über den Sensor lassen sich Umgebungsparameter, wie die Temperatur, der Standort oder die Stoßbelastung, abrufen und überwachen: Die Sensoren erfassen, ob und an welchen Stellen in der Supply Chain Druck auf die Verpackung ausgeübt wurde, die Kühlkette unterbrochen oder das Paket Erschütterungen ausgesetzt war. Somit trägt die Weiterentwicklung zur intelligenten Palette maßgeblich dazu bei, dass die komplette Lieferkette transparenter und effizienter wird.

 

In Verbindung mit Smart Devices, wie beispielsweise einem Tablet, ist die Palette in der Lage, in einem dezentralen Netzwerk zu kommunizieren. »Salopp gesagt bedeutet das, dass der Ladungsträgermanager in Zukunft per Knopfruck sehen kann, wo und in welchem Zustand sich seine Paletten befinden. Oder aber noch besser: Die Paletten managen sich idealerweise künftig selbst, Unternehmen stellen bestimmte Vorgaben im System ein und sind danach viele heutige Probleme los«, erläutert Dr. Volker Lange. Einen ersten Prototyp einer interaktiven Palette konnte die Öffentlichkeit bereits im März 2018 auf der »LogiMAT« in Stuttgart in Augenschein nehmen. Der gezeigte Anwendungsfall der kommunizierenden Paletten basiert auf der Funktechnologie »NarrowBand IoT«, einer neuen Mobilfunktechnologie, die speziell für das »Internet der Dinge« entwickelt wurde. Entstanden ist die Lösung im Rahmen der gemeinsamen Forschungsaktivitäten des Fraunhofer IML und der Deutschen Telekom. 

 

Ein Business Case aus 500 Millionen interaktiven Paletten

Mit dem integrierten Tracker der Telekom sind bereits erste Tests geplant, bei denen ein kleinerer, geschlossener Palettenpool verschickt und live verfolgt werden soll. Allein in Europa sind 500 Millionen EPAL-Paletten im Umlauf. Diese Anzahl wäre für die ersten Untersuchungen zu umfangreich. Langfristig gesehen wird daraus aber ein Business Case, der eine entsprechende IT-Infrastruktur sowie die Entwicklung passender Apps für mobile Endgeräte beinhaltet. »Es ist wichtig, von Anfang an das passende Geschäftsmodell zu finden und zu entwickeln sowie die Potenziale, die darin stecken, zu erkennen. Erst dann können wir schauen, wie wir das ganze unter Berücksichtigung welcher Technologien umsetzen. Sonst haben wir am Ende eine schicke Technik, mit der aber niemand etwas anfangen kann«, erklärt Lange. 

 

In ihrer heutigen Bauweise gibt es die EPAL-Europalette seit 1961. Dass sich an ihrer Nutzungsweise etwas verändert – und verändern muss, spüren auch Palettenhersteller wie Ingo Mönke, Vorstandsvorsitzender der Paletten-Service Hamburg AG und der Gütegemeinschaft Paletten e. V. (GPAL, das deutsche Nationalkomitee der EPAL): »Seit 57 Jahren verbinden 78 Nägel 20 Holzteile den meistverbreiteten Ladungsträger überhaupt. Aber ich bezweifle, dass das in Zukunft ausreicht. Es gibt immer neue Herausforderungen an die Logistik. Deshalb müssen wir aus der einfachen Palette einen intelligenten Ladungsträger entwickeln. Sonst ist vielleicht kurz nach dem 60. Geburtstag der Palette Schluss.«

 

Das Konzept »Europalette« hat sich viele Jahrzehnte bewährt. In Zeiten von Clouds und Smartphones steigen aber die Erwartungen – auch an einen Ladungsträger. Für die Logistik eröffnen sich durch die Weiterentwicklung zur intelligenten Palette völlig neue Potenziale. Mithilfe von AutoID-Technologien an der Palette innerhalb der Supply Chain kann auf diverse andere Einzellösungen in unterschiedlichen Bereichen verzichtet werden. Zu welchen Einsparungen dies führen kann und wird, können die Experten heute noch nicht beziffern. Fest steht aber: In Zukunft ist die EPAL-Europalette vieles, aber vor allem auch intelligent.

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Dr. rer. pol. Volker Lange

Abteilungsleiter

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik
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