Einmal Blockchain rot-weiss, bitte.

Seien wir mal ehrlich, wer liebt sie nicht: die kleinen, knusprigen, gelben Stäbchen – die besten Freunde von Ketchup und Mayonnaise? Die Pommespflanze heißt Kartoffel, und mit Kartoffeln kennen sich die Deutschen bekanntlich gut aus. Genauso wichtig, wie uns Kartoffeln sind, ist uns aber auch die Qualität. Damit diese bei den Pommes stimmt, ist die Idee, hier die Blockchain-Technologie einzusetzen. Diese hat das große Potenzial, Lieferketten transparent zu machen und damit die höchstmögliche Produktqualität zu sichern.

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Kartoffeln sind ein beliebtes und weltweit gehandeltes Lebensmittel. Sie sind Grundnahrungsmittel in praktisch jeder Kultur und haben längst die Welt der Tiefkühlkost, des Fast Foods und der Snacks erobert. Kartoffeln durchlaufen bis zum jeweiligen Endprodukt eine vielfältige und komplexe Lieferkette, entlang derer die beteiligten Akteure permanent Informationen austauschen. Das geschieht teilweise ineffizient. Genau da soll nun die Blockchain-Technologie ansetzen, die es Unternehmen ermöglicht, sich auf Grundlage einer gemeinsamen Aufzeichnung von Ereignissen innerhalb eines Blockchain-Netzwerks zu vertrauen.

Das Fraunhofer IML arbeitet gemeinsam mit der Fachhochschule Windesheim (Niederlande) und dem assoziierten Blockchain Living Lab »Spark!« sowie weiteren Partnern innerhalb des Europäischen Blockchain-Instituts daran, die Blockchain-Technologie voranzutreiben. Ziel ist es, branchen- und länderübergreifende Standards zu entwickeln. Der inhaltliche Fokus lag bisher auf Themen wie der Zoll- und Gefahrgutabwicklung – das Lieferkettenmanagement bei der Verarbeitung von Kartoffeln erweitert den Rahmen.

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Mehr Zuverlässigkeit in der Lieferkette

Die Blockchain-Technologie eignet sich ideal für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie. » Mithilfe der Blockchain können wir zum Beispiel den Weg von der Kartoffel bis zu den Pommes verfolgen und prüfen, ob die Lager- und Kühlbedingungen von der Verarbeitung bis zur Auslieferung an den Händler eingehalten wurden«, erklärt Dr. Maximilian Austerjost, der als Projektleiter des Europäischen Blockchain-Instituts die Zusammenarbeit auf deutscher Seite koordiniert. Den passenden Anwendungsfall liefert Lamb Weston, einer der weltweit größten Hersteller und Verarbeiter von Kartoffelprodukten. Das Unternehmen verarbeitet jährlich 1,6 Mio. Tonnen Kartoffeln zu Pommes, Püree und anderen Kartoffelspezialitäten. Lamb Weston bezieht seine Kartoffeln von 600 Erzeugern aus ganz Europa. Da die Knollen inspiziert, verarbeitet und die Endprodukte anschließend weltweit ausgeliefert werden, entstehen Lieferketten mit einer Vielzahl an Unternehmen und hohem Informationsaustausch.

Die Blockchain-Technologie bietet nun die Möglichkeit, die Zuverlässigkeit und Authentizität der Informationen zu gewährleisten. » Im Kern ist es so, dass es einen Sensor gibt, der in die Blockchain schreibt, und dort sind diese Daten transparent für alle Teilnehmer eines Blockchain-Netzes einsehbar und damit auch nicht mehr veränderbar«, erklärt Maximilian Austerjost. Tiefgekühlte Pommes werden typischerweise bei -18 Grad Celsius gelagert und ausgeliefert. In einer konventionellen Datenbank wäre es möglich, praktisch unbemerkt noch etwas nachzutragen oder gar zu » pfuschen« – das ist in der Blockchain nicht möglich: » Ein Kartoffelbauer oder Spediteur kann im Nachhinein nicht mehr sagen ›oh, die Temperatur war doch niedriger‹, weil alle Teilnehmer automatisch nachvollziehen können, ob und an welcher Stelle sie überschritten wurde. Am Ende ist es also eine Transparenz, die auch nicht mehr korrumpierbar ist«, erläutert Austerjost. Da alle Akteure einen Teil der Blockchain bei sich gespeichert haben, ist es nicht mehr möglich, die entsprechenden Datensätze zu verändern. Das müsste nämlich bei allen Teilnehmern einzeln geschehen.

Forschung an den Möglichkeiten der KI für die Lieferkette
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Intelligente Verträge vereinfachen den Prozess

Ein weiterer großer Vorteil von Blockchains und eine interessante Anwendung in der Logistik, sind sogenannte »Smart Contracts«. Bei bestimmten Vertragssituationen – beispielsweise einem Hauskauf – treffen normalerweise viele Parteien aufeinander: Es braucht eine Bank für den Geldtransfer, eine Versicherung, einen Notar für die Beglaubigung, Käufer, Verkäufer usw. Sind alle Beteiligten in einem Blockchain-Netzwerk, kann das gesamte Prozedere ohne weiteres Zutun entsprechend aufgesetzter Smart-Contract-Regelungen stattfinden d. h. sobald jemand das Haus kaufen möchte, werden automatisch alle beteiligten Instanzen informiert und alle Vorgänge initiiert. Der Vertragsabschluss braucht perspektivisch keine höhere Instanz mehr (einen Notar), da alle Teilnehmer gemeinsam zu einem Konsens kommen.

Im Kartoffel-Szenario würde das bedeuten, dass Kartoffeln, die nicht bestimmten Qualitätsstandards entsprechen, weil sie beispielsweise aus dem Vorjahr sind oder Temperaturschwankungen unterlagen, automatisch einen niedrigeren Preis erhalten. Die Ware wird in der Verarbeitung dann nicht mehr zu »Long Fries«, sondern zu »Curly Fries« oder Kroketten. »Der Verkäufer der Kartoffeln sieht in der Datenbank ja auch, dass er in der Lieferkette irgendwo ›geschlampt‹ hat und seine Kartoffeln entsprechend nicht so eine hohe Qualität haben. Er hat also auch keine Möglichkeit zu hinterfragen, wieso er beispielsweise nur Geld für Kartoffelkroketten bekommt, statt für Premium Long Fries«, erklärt Maximilian Austerjost. Die komplette Vertrags- und Verhandlungssituation findet also praktisch nicht bzw. automatisiert statt, da schon im Vorfeld alle relevanten Punkte geregelt und festgelegt wurden und jeder Teilnehmer permanent einsehen kann, wie bestimmte Informationen aussehen und ob die benötigten Zertifikate vorliegen.

Neue Geschäftsmodelle durch Blockchains und Smart Contracts

Durch die Einbindung der Blockchain sind die Informationen zur Zertifizierung nicht nur in Echtzeit verfügbar, vielmehr wissen alle Partner, dass die Informationen kontrolliert und vertrauenswürdig sind. Der Bestellprozess von Lamb Weston hat durch diesen neuen Ansatz für das Zertifikatsmanagement das Potenzial, Zeit und Geld zu sparen – damit also effizienter zu werden – und an Flexibilität zu gewinnen. Diese Lösungen können schließlich auch zu einem grundlegenden Wandel in der Gestaltung der Lieferketten und sogar zur Entstehung neuer Geschäftsmodelle führen. Ein Lebensmittelhersteller kann es zum Beispiel vorziehen, mit Erzeugern zusammenzuarbeiten, die Mitglied der Blockchain-basierten Zertifikatsplattform sind. »Wir sprechen hier natürlich von der Zukunft, aber das ist das, worauf wir hinarbeiten. Das Europäische Blockchain-Institut ist ein Entwicklungsprojekt, es wird also noch nicht komplett umgesetzt. Die Vorzüge werden aber an vielen Stellen schon überprüft und das ist natürlich sehr spannend in diesem Kartoffel-Case«, so Maximilian Austerjost – Pommes mag eben jeder.